Königskind/er

Ich habe vor 24 Jahren mein Kind abgetrieben. Ich weiß derzeit immer noch nicht, wer der Vater des Kindes gewesen wäre. Aber ich weiß, dass Papa Gott mir das noch zeigen wird. Ich war damals 19 Jahre alt und hatte schon zwei Fehlgeburten hinter mir.

 

Eigentlich freute ich mich riesig darüber, endlich wieder schwanger zu sein und im ersten Moment hatte ich mir das schön vorgestellt, aber dann kamen die anderen Gedanken. Was sollen die Leute im Dorf davon denken, mein Papa war gerade wieder trocken und endlich konnte meine Mutter das Leben genießen und dann sollte ich als das schwarze Schaf der Familie die Ehre wieder in den Dreck ziehen? Nein! Das wollte ich nicht. Das Kind zur Adoption frei geben? Das geht auch nicht, im Dorf werde ich die Schwangerschaft nicht verheimlichen können.

 

Also bleibt nur noch Abtreibung, das muss das richtige sein. Also los zum Frauenarzt, dann zum Beratungsgespräch und dann einen Termin in der Klinik vereinbaren und fertig… Damals war ich komplett davon überzeugt, das richtige zu tun…

 

Schon bei der Ankunft in der Klinik habe ich mich wie ein Stück Dreck gefühlt. Nach der Abtreibung ist die Welt über mir zusammengebrochen. Ich lag in meinem Krankenbett und fühlte mich wie im Gefängnis. Dann fing es an; das Chaos in meinem Kopf. Ich hatte ständig das Gefühl zu explodieren. Fing an mich zu ritzen, mehr Alkohol zu trinken, Drogen zu nehmen. Es ging mir sehr schlecht. Ich bin noch tiefer in die Gruftie Scene abgerutscht… Suizid Gedanken waren meine ständigen Begleiter…

 

Nach einigen Jahren ging es mir dann endlich besser. Ich hatte einen Partner gefunden, dem ich wirklich vertrauen konnte. Plötzlich konnte ich wieder leben und lieben. Wir haben geheiratet und während den Flitterwochen hatte ich eine Fehlgeburt. Leider folgten noch zwei weitere Fehlgeburten und ich dachte immer das ist Gottes Strafe für meine Sünden. Du sollst nicht töten!!!

 

Dann war ich endlich wieder schwanger und überglücklich. Es war eine sehr komplikationsreiche Schwangerschaft; die Krankenhausaufenthalte habe ich irgendwann aufgehört zu zählen… Aber dann kam unsere wunderbare Tochter zur Welt und selbst dann konnte ich nicht richtig glücklich sein. Es folgten weiter Schicksalsschläge und Krankheiten. Weiterhin sah ich alles als Strafe Gottes. Mit 18 Jahren bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten. Mein Partner ist evangelisch und hat mir immer die Geschichte von „Spuren im Sand“ erzählt.

 

Mich hat es dann immer mehr zu den Gottesdiensten gezogen. Irgendwann wurde ich von unserem Pfarrer angesprochen, ob ich mich nicht zu der Wahl des Kirchengemeinderates aufstellen lassen möchte. Mein erster Gedanke; ich habe gesündigt! Da ist mir meine Abtreibung plötzlich wieder ins Gesicht gesprungen. Es dauerte noch weitere zwei Jahre. Ich war zur Reha, eigentlich wegen eine meiner Krankheiten und traf mich mit einer Teilnehmerin aus einem Onlineseminar.

 

Ich hatte diese Frau noch nie davor live gesehen. Wir waren kurz vor dem Verabschieden und plötzlich habe ich ihr von meiner Abtreibung erzählt, obwohl das nur wenige Menschen von mir wussten. Sie schaute mich an und ich dachte oh je, was habe ich getan! Sie antwortete mir: „ Ich arbeite ehrenamtlich in der Telefonseelsorge und kümmere mich um Frauen, die vor oder nach einer Abtreibung sind. Wende dich doch bitte mal an Erika Wick.“

Ich konnte es nicht glauben. Das musste doch Gottes Werk sein.

 

Noch während der Reha habe ich Erika angeschrieben und ein paar Tage später haben wir uns online unterhalten. Den Termin für den EWL!-Bewältigungskurs haben wir sofort vereinbart.

 

Ich freute mich so sehr darauf, endlich wieder Hoffnung und neue Lebensfreude zu bekommen und endlich die Schuld -und Schamgefühle loszuwerden. Alles wurde erfüllt! Erika ist vertrauensvoll, ehrlich, direkt, empathisch, usw.… ich kann es gar nicht in Worten ausdrücken. Ich konnte ihr von Anfang an vertrauen. Natürlich fiel es mir am Anfang sehr schwer über die Abtreibung zu reden, aber sie hat mich wunderbar geleitet.

 

Ab dem siebten Kapitel habe ich gemerkt, wie es sich festigt. Ich habe angefangen zu beten, habe mich im Bibelkreis geoutet. Irgendwann hat Gott mir auch gesagt, dass mein Kind ein Mädchen ist und Jule heißt. Es tut so gut zu wissen, dass es ihr gut geht und ich sie irgendwann bei Papa Gott wiedersehen darf. 😊   Simone B.